
Hier finden Sie die detaillierte Beschreibung zur 2. Phase der Sensoanalyse. Eine Einführung und Übersicht zu dieser Thematik finden Sie über den Link.
2. Phase, Nase: Aromen - Riechen
Aromen: Diesen Begriff verwendet Winehead ausschließlich um jene flüchtigen Stoffe, die durch die Riechschleimhaut des Menschen, sowohl durch die Nase (orthonasal/direkt) oder über den Rachenkanal (retronasal/indirekt) aufgenommen werden, zu beschreiben.
Bei der Sensoanalyse erfolgt nach der 1. Phase, Sehen, das Riechen. Als Riechen bezeichnen wir den chemischen Nahsinn, der Aromen aufnimmt, diese in der Riechschleimhaut löst und dort in elektrische Impulse umwandelt, die dann über den Riechnerv an den Riechkortex im Gehirn weitergeleitet (Transduktion) werden.
Aromen stellen den mit Abstand quantitativ bedeutsamsten Bestandteil des sensorischen Ausdrucks von Wein (ca. 90%) dar, obwohl sie nur ca. 0,05% seiner Bestandteile ausmachen.
Der Geruchssinn folgt evolutionär dem des Schmeckens. Als Lebewesen begannen das Wasser zu verlassen, entwickelten sie den Geruchssinn. Dieser war bei der Identifizierung von Lebensmitteln, Giftstoffen, sexuellen Duftstoffen, bei der Markierung ihres Territoriums und der Erkennung des Nachwuchses hilfreich. Im Gehirn entstanden spezifische Areale für diesen neuen Sinn, ein Teil der Schmeck-Rezeptoren spezialisierte sich auf olfaktorische Reize.
Riechen - aber wie?
Riechen gliedert sich, bedingt durch die menschliche Anatomie und den natürlichen Ablauf der Nahrungsaufnahme (Sehen, Riechen 1, Schmecken, Fühlen, Riechen 2), in drei Schritte:
1. Zunächst erfolgt die direkte (orthonasale) Olfaktion durch die Nase. Schenken Sie den Wein in ein geeignetes Glas (geruchsfrei, transparent, dünnwandig, >400ml) und halten Sie Ihre Nase tief hinein und riechen Sie daran stoßartig, zwei- bis dreimal, ohne das Glas zu schwenken. Versuchen Sie, Ihre Riechempfindungen zu identifizieren: Was rieche ich?
2. Schwenken Sie dann den Wein einige Male im Glas und wiederholen den Riechvorgang. Versuchen Sie mögliche Veränderungen zu erkennen. Zwischen dem ersten und dem zweiten Schritt empfiehlt Winehead eine Pause von 15 Sekunden, um dem Riechorgan Zeit zur Regeneration zu geben. Auch hier gilt: zwei- bis dreimal muss reichen, sonst beginnt der Prozess der Adaptation. Dies bedeutet, dass das Gehirn bei wiederholt auftretenden gleichen Reizempfindungen keine Signale mehr wahrnimmt.
3. Der
dritte, retronasale, Teil des Riechens,
erfolgt, wenn der Wein sich schon im Mund befindet. Dort wird er im Mund verteilt, erwärmt, gekaut und zusätzlich belüftet. Dadurch werden Aromen freigesetzt, die nun über den Rachenkanal zur Riechschleimhaut gelangen.

Tipp:
Die menschlichen Sinnesorgane reagieren auf Veränderungen. Wenn Sie zu lange am Wein riechen, sinkt ihre Empfindsamkeit.
Für die Identifikation von Aromen müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein:
- Die Aromamoleküle müssen flüchtig sein, also das Medium Wein verlassen, damit sie an den Riechzellen andocken können. Die Flüchtigkeit der Aromen hängt von der Temperatur ihres Mediums ab. Niedrige Temperaturen verringern diese, während hohe Temperaturen sie erhöhen.
- Die Aromamoleküle müssen in der Riechschleimhaut löslich sein.
- Aromen müssen die Wahrnehmungsschwelle erreichen, jener minimalen Reizintensität, die bei jedem Vorliegen eine eindeutig identifizierbare Reizempfindung (Wahrnehmung) hervorruft. Diese Schwelle kann von Mensch zu Mensch variieren.
- Die Sensoanalyse erfordert eine geruchsfreie Umgebung.
- Der Verkoster muss Aromen kennen, um sie zuordnen zu können, er muss sie in seiner persönlichen „Aromabibliothek“ gespeichert haben.
Wiedererkennung und Zuordnung der Aromen erforderern Ausbildung, Konzentration, Kalibrierung, Erinnerung sowie kontinuierliche Übung. Die Belohnung besteht aus objektiven, reproduzierbaren und wiedererkennbaren Aussagen: Genuss durch Wissen.
Woher kommen die Aromen im Wein?
Viele Aromen sind nur als Vorstufen in der Beere enthalten und werden erst in den verschiedenen Phasen der Weinerzeugung in ihre sensorisch relevante Form überführt. Quetschen, Maischen, Erhitzen, Kühlen, Klären und Gären sowie die Bedingungen während der Weinreifung bis zum Verzehr bilden die Grundlage für chemische (z.B. Gärung), chemisch-enzymatische (z.B. Fruchtaromen) und thermisch initiierte Reaktionen (z.B. Röstaromen bei der Verwendung von Holzgebinden), die das Aromaspektrum im Wein bestimmen.
Wie viele Aromen können es sein?
Bis heute wurden weit über 900 Weinaromen identifiziert, von denen aber nur ca. 50 (Impactaromen) sensorisch relevant sind. Intensität und Breite des aromatischen Spektrums variieren je nach Weintyp und hängen von der Rebsorte, vom Standort (Terroir) und Weinanbau, von der Weinbereitung und der Weinreifung ab. Die Anzahl der bekannten Aromen wird mit dem Fortschritt der Wissenschaft durch die Entwicklung präziserer Analysemethoden weiter zunehmen.
Welche Aromen sind sensorisch relevant?
Als Orientierung können hier die verschieden Aromaräder für Wein, die Sie in der Fachliteratur oder im Internet finden können, dienen. Dort finden Sie die wichtigsten Aromen, die Sie für Beschreibung, Bewertung und Genuss der meisten Weine, getrennt in Weiß- und Rotweine, verwenden können.
Welche Aromen können im Wein enthalten sein?
Als Orientierung können hier die verschieden Aromaräder die Sie in der Fachliteratur oder im Internet finden können, für Wein dienen. Dort finden Sie die Aromen, die Sie für Beschreibung, Bewertung und Genuss der meisten Weine, getrennt in Weiß- und Rotweine, verwenden können.
Klassifizierung der Aromen
Wein zeichnet sich durch Aromenvielfalt aus. Um diese als interessierter Konsument erkennen und nachvollziehbar beschreiben zu können, ist es hilfreich, ihren Ursprung zu kennen. Diesem zufolge lassen Weinaromen sich in drei Gruppen unterteilen.
Primäraromen stammen aus der Beere und befinden sich hauptsächlich in der Beerenhaut. Sekundäraromen entstehen während der Gärung. Als Tertiäraromen bezeichnet Winehead alle Primär- und Sekundäraromen, die sich im Wein weiterentwickeln sowie alle jene, welche durch Reifung und durch Ausbau (z.B. im Holz) hinzukommen. Diese lange verwendete Aufteilung ist jedoch wenig hilfreich, um Aromen präzise ihrer Herkunft zuzuordnen. Beispielsweise stammen Fruchtaromen sowohl aus der Beere als auch aus der Gärung. Deshalb hat sich Winehead für die assoziative Beschreibung (bspw. fruchtig, floral, würzig) und Zuordnung entschieden. Diese Klassifizierung enthält neun Aromagruppen (nicht zu verwechseln mit Aromastoffgruppen) und ermöglicht es, auch ohne profunde chemische Vorkenntnisse, Aromen zu erkennen und zuzuordnen.
Diese Einteilung beruht auf Assoziationen. Sie hat eine wissenschaftliche Grundlage, denn die Aromamoleküle sind im Wein, wie in den Dingen, an die sie uns erinnern, in identischer oder sehr ähnlicher Weise enthalten. Ester, Mercaptane, Methoxypyrazine und Thiole, kommen bspw. auch in Obst und Gemüse vor.
Die assoziative Einteilung der Aromen beruht auf der von Emile Peynaud 1968 in seinem Standardwerk Le Gout du Vin publizierten Klassifizierung.
Die ursprüngliche Reihenfolge der Klassifizierung hat Winehead geändert. Sie trägt nun dem Aromaspektrum moderner Weine mit ihrer nie gekannten Frucht Rechnung. Hinzu kommt, dass Fruchtaromen (Ester) leicht flüchtig sind und das sich ungeübte Verkoster sich eher an Fruchtaromen, denn an vegetabile erinnern und diese somit eher zuordnen können. Wir haben zudem die die Gruppe „Defekte/Weinfehler“ hinzugefügt.
Aromaklassifizierung
1. Grasig
Gras, Heu, grüner Tee
2. Fruchtig
Zitrone, Apfel, Birne, Aprikose, Pfirsich, Kirsche, Erdbeere, alle Johannisbeeren
3. Floral/kräuterartig
Veilchen, Lindenblüte, Rose, Akazie
4. Vegetabil/balsamisch
Eukalyptus, Minze, Rosmarin
5. Gärung/mikrobiologisch
Schwefel, Essig, Zwiebel, Alkohol, Hefenoten, Alkohol, Pferd, Schweiß, Joghurt
6. Würzig
Nelke, Pfeffer, Zimt, Muskat, Vanille
7. Rauchig/karamellisiert/holzig
Kaffee, Karamell, Schokolade, karamellisierter Zucker
8. Ausbau in Holzgebinden
Eiche Natur, unterschiedlich stark geröstetes Eichenholz, altes/feuchtes Holz, Spanplatte
9. Defekte/Weinfehler
Kork, Oxidation, Essigstich, Böckser
Um alle Eigenschaften eines Lebensmittels wahrzunehmen, bedarf es Neugier, Geduld, Zeit und Methodik.
Es lohnt sich zweifellos. Viel Spaß auf der Reise ins Reich der Sinne.

